Der
Asphalt hatte auch schon seine Tage: senkrechte Verwerfungen bis
Fußrastenhöhe sind keine Seltenheit. Schlaglöcher von
der Größe zweier
Kartoffelsäcke und auch so tief, damit die Radnabe ihren Anschlag
findet.
Kanaldeckel, die aufgrund der mehrmaligen Asphaltierung ca. 10 - 15 cm
tiefer
lagen, die aber auch in weiser Voraussicht genauso hoch herausragen
konnten.
Das alles ist gängige Normalität in "Mittelasien" und dient
sicher
der Verkehrsberuhigung. ;= )
Paul
wurde also recht hart geschüttelt, seine Hagons brachten seine
Bandscheiben in Wallung, aber auch mein Sitzfleisch wurde auf eine
harte Probe gestellt - leider gab ich zuerst zu, dass mir die
Rüttelei Arschweh verschaffte - schade eigentlich.
Der
Anblick der abgewohnten, unrenovierten Häuser, der riesigen
Menschenwohnsilos mit winzigsten Balkonen, der defekten
Bürgersteige, Stromleitungen
fast in Kopfhöhe, Autos, die nur noch dem Namen nach so
heißen,
ließ uns Schlimmeres befürchten. Bikes waren keine zu sehen,
hin
und wieder mal ein altes Moped. Dazwischen nagelneue Westwagen, schick
gekleidete
Personen und aber auch Menschen, die ohne Schuhe gingen.
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Da
es bereits gegen 17:00 Uhr war, suchten wir die Ausfallstraße
nach Arad,
weil dort in einem kleinen Ort namens "Baille 1 Mai" ein Campingplatz
sein
sollte. Die Suche erwies sich schwierig, weil die Beschilderung sehr
besch....
war.
Unterwegs
fanden wir einen kleinen Lebensmittelladen. Wir entschieden, dass Paul
bei den Mopeds und dem Gepäck bliebe und ich Shopping ginge. Bier
fand ich auf Anhieb (4 gr. Dosen, ungekühlt), wobei das mit der
rumänischen Sprache doch ein Hindernis war, aber auf die Dinge
zeigen, hilft dann auch weiter. "Was sollte ich noch holen?"
Also,
raus aus dem Laden. Paul war nicht mehr allein, drei Jungs standen bei
ihm. Wir brauchten noch Brot und Käse, sollte ich auch kaufen.
Gesagt, getan. "Soll ich auch Tomaten kaufen?" Jetzt standen bei Paul
auch einige Jugendliche und Erwachsene und noch mehr Jungs. Paul schien
es irgendwie eilig zu haben (???) und war gerne mit Tomaten
einverstanden. Nachdem ich noch vier Scheiben guten Kochschinken
mitnahm, zahlte ich für das Ganze umgerechnet 5,40 DM.
Paul
war sichtlich erleichtert, als ich kam. Eine richtige Menschentraube
hatte sich um ihn und die Bikes versammelt und er hatte alle Mühe,
die fremden Hände
von seinem Moped fern zu halten. "Nix mit die Fingers!!!" Meine
Einkaufstüten
wurden mit Raunen bedacht. Wir konnten uns der schnellen Finger kaum
erwehren
und machten uns so schnell wie möglich auf den Weg. Ein
rumänischer
Junge rief uns zum Abschied nach: "Asta la vista, Baby". Welch ein
Glück,
er hatte keine Pumbgun bei sich.
Als wir
dann die LKW-Umgehung um Oradea entlang fuhren (alte zerschossene
Betonpiste,
Berge von Schutt am Straßenrand, zerfallene Industrieanlagen) und
wir
vermeintlich zwielichtigen Gestalten begegneten (verwahrloste Menschen,
die
sich als Viehhirten ein paar Lei verdienten, ärmlich gekleidete
Arbeiter,
die zu Fuß auf dem Nachhauseweg waren), beschlich mich ein
Gefühl
der Ungewissheit und Ohnmacht: "Geht das am Ende nur so weiter?"
Heute
wissen wir, dass es eine Ausnahmesituation auf unserer Reise war.
Nirgendwo sonst ist uns in Rumänien Ähnliches widerfahren.
Aber wer von uns wusste das zu diesem Zeitpunkt.
Der
Campingplatz war gut und äusserst preiswert, wir zahlten zusammen
umgerechnet 5
Emme für eine Nacht. Das Waschhaus und die Toiletten waren in
Ordnung.
Es gab einen kleinen Getränkekiosk, wo die schöne Anka
bediente.
Wir kosteten ausgiebig und nacheinander die verschiedenen
rumänischen
Biersorten, schön preislich gestaffelt. Leider musste Anka mit
ihrer
Freundin weg. : =(
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Am
nächsten Tag, nachdem wir mit dem superduper Benzinkocher von Paul
Kaffee gekocht hatten, machten wir uns mit unseren Bikes auf in
Richtung Cluj Napoca (Europastrasse 60) um zu Draculas Zweitresidenz zu
kommen: Sighisoara (gesprochen Siggischoara)
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Nach
meinen Recherchen sollten auf der Strecke einige Baustellen sein,
grundsätzlich sei aber gut zu fahren (möglicher Durchschnitt
um die 90 km/h). Das
sollte sich allerdings anders herausstellen.
Verkürzt
dargestellt: erstens kommt alle paar Kilometer ein Ort, die
Geschwindigkeit wird für uns auf 60 km/h gesenkt. Die
rumänischen Fahrer haben
da aber keine Verträge mit, sie knallen mit 90 km/h durch die
Dörfer. Daneben gibt es das Überholverbot, dafür gilt
das Gleiche, auch in unübersichtlichen Kurven. Wir mussten uns im
Laufe der Zeit leider anpassen, sonst wäre es zu gefährlich
für uns geworden. ;= )
Zweitens
war die E 60 gespickt mit Baustellen, runtergedrosselt bis auf 40 km/h
mit einspuriger Verkehrsführung und gleichzeitiger Beampelung. Die
Unwägbarkeiten der Straße verhinderten, dass wir schneller
als 70 km/h fuhren. Kaum hatte man den Hahn auf gemacht, weil das
Stück Straße so klasse war, so wurde man im nächsten
Moment von einem Schlagloch sauber ausgebremst oder von einer
Verwerfung in der Kurve zu Tode erschreckt. Andererseits
ist alles Mögliche auf der Straße unterwegs, was einen immer
wieder zurückhielt, Gas zu machen. Fahrer, die mit dem
Überholverbot keinen Vertrag haben, am Straßenrand stehende,
unbeaufsichtigte Tiere, manchmal sind sie auch angepflockt, was man
aber nicht gleich erkennen kann. Fußgänger und
Pferdegespanne taten ihr übriges. So zog sich die Strecke und sie
wurde lang und länger. 300 km in ca. 10 Stunden zurückgelegt,
sauber!!!
Aber
die Landschaft hat es: Felder über Felder, Weite und (Haus-) Tiere
ohne Ende,
domestizierte und freie). In den Orten die ansehnlich hergerichteten
Kirchen
der Orthodoxen. Die malerischen kleinen eingeschossigen Häuser,
die
kleinen Innenhöfe mit Ziehbrunnen oder Schwengelpumpen. Davor
kleine und gepflegte Gärten und Gärtchen mit liebevoll
gestalteten Blumenbeeten. Bäuerinnen, die ihre Waren (Obst,
wunderbar drapiert, Selbstgehäkeltes, Selbstgeklöppeltes,
Felle u.v.m.) zum Verkauf feilboten.
Im
Übrigen kennt man in Rumänien keine Rasenmäher, seien es
benzin- oder
elektrobetriebene. Dort kennt man nur vierbeinige Rasenmäher in
Form
von Kühen, Schafen, ganz wenig Ziegen, aber vielen Pferden und
riesige
Scharen von grasenden Gänsen.
Abwechslung
brachten auch die Menschen, an denen wir vorüber fuhren. Sie waren
vom Sound und der Optik unserer Bikes äußerst angetan.
Durchfuhren wir Baustellen, so ruhte die Arbeit, staunende Blicke und
Winken, freundliches Lachen und aufmunterndes Raunen und Rufen sowie
Pfiffe. Von den Feldern
rannten oft Menschen Richtung Straße, um uns zu sehen, oder man
winkte
uns von Weitem schon zu.
Schade,
das fehlt der SR in Deutschland.
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Grundsätzlich
ist zu sagen, dass im Straßenverkehr auf den großen
Verbindungsstraßen das Recht des Stärkeren gilt.
Fußgänger und andere Gefährte haben halt geloost.
Gängiges Bild sind vor allem Fußgänger und die
überall anzutreffenden Pferdegespanne: alte Leiterwagen, denen man
Auto- oder LKW-Reifen spendiert hat und die ja auch die E 60 benutzen
dürfen. Natürlich grundsätzlich ohne Beleuchtung.
Dennoch
haben wir auf unserer Tour nur zwei Unfälle mit Lkws gesehen,
wobei
einer direkt hinter einer Kurve umgestürzt und ungesichert mitten
auf
der Straße lag
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In
der Nähe von Sighisoara haben wir in Dantes, nachdem wir kurz
geduscht wurden, den angepeilten Campingplatz angesteuert und die
obligatorischen
5 Emme gezahlt hatten.
Das
Zelt stand, das erste Dosenbier wollte in Freiheit und so suchte ich
das so lieblich gelegene Waschhaus auf. Ich erspare mir hier weiteres:
es gab kein Wasser, weder auf den Toiletten noch an den Becken.
Dafür haben wir beim Patron spät abends eine kostenneutrale,
aber recht gute Rindfleischsuppe erhalten, sowie tags darauf einen
Eimer Regenwasser. Wofür wird sein Geheimnis bleiben.
Am
nächsten Tag fuhren wir nach Sighisoara, in einem kleinen Hotel
tauschten wir regulär Kohle und machten uns auf ins Zentrum, dort
war der Bär los. Am bewachten Parkplatz, zwei Stunden
für 40 Pfennige, gönnten wir uns
einen Kaffee. Paul zog mit der Kamera los und ich genoss den Blick auf
die
Stadt und das rege Treiben. Ein Junge im Schulalter verwickelte mich in
ein
Gespräch und entpuppte sich als Schlepper: er bot uns
eine
"Puppe" an. Erst verstanden wir Null, erst auf Nachfragen wurde klar,
dass
er uns eine Prostituierte (30 Emme den Tag) vermitteln wollte.
Wir
lernten dort auch ein elsässisches Motorradfahrerpaar kennen,
welches uns von den sächsischen Dörfern und insbesondere von
dem Ort Homorod erzählte. Außerdem, dass gleichzeitig mit
dem Treffen in Sirok (Ungarn), ein großes
Treffen in Sibiu (Rumänien) stattgefunden hatte. Auch schade.
Vielleicht
nächstes Jahr.
Das
Zentrum von Sighisoara bildet der Burgberg. Wir fuhren hoch und
schauten uns die
alten Gemäuer an. Herrliche kleine Gässchen (dröhn,
donner)
mit uralten Pflastern und Gebäuden.
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